Es gibt Momente im Leben, da ist es unmöglich, der Versuchung zu widerstehen. Mag der Verstand auch noch so sehr dagegen wettern – im entscheidenden Augenblick überlassen wir uns bereitwillig unserem Verlangen, unserer Lust und unserem Wahn. Die Rede ist mal wieder von einer Neuerwerbung aus dem Reich superlichtstarker Objektive: das Voigtländer Nokton 1.1/50.

Für manch einen ist das Produkt der japanischen Objektiv- und Kameraschmiede vielleicht nur eine weitere Scherbe, die einem vom Ansatz her vergleichbaren Noctilux der Firma Leica nicht einmal annähernd das Wasser reichen kann. Doch darum geht es hier nicht. Der Kaufpreis von rund 8000 € eines Leica Noctilux 0,95/50 steht aus meiner Sicht in keinem Vergleich zu den rund 900 €, die für ein Voigtländer Nokton 1.1/50 zu zahlen sind. Die Leica Linse kommt selbst in meinen kühnsten Träumen nicht vor, weil sie schlicht und einfach außer Reichweite ist.
Allerdings wäre es schon überaus snobistisch, das Nokton als Noctilux des armen Mannes zu bezeichnen – ein Schnäppchen ist es ja nur bedingt. Und zumindest was den fotografischen Anspruch angeht, ist es dem von Leica möglicherweise erreichten Ideal nicht ganz unähnlich. Was aber hat es mit der Lichtstärke auf sich? Braucht man eine Anfangsblende von 1.1 (oder größer)? Ist ein solches Objektiv nicht lediglich ein Fetisch?

Der Spötter sieht bei Blende 1.1 bloß ein kontrastarmes Bild mit mäßiger Schärfe und verringerter Farbsättigung. Aber ganz offensichtlich ist da noch mehr. Die Bildwirkung ist nicht auf die Summe technischer Defizite zu reduzieren. Anders ausgedrückt: das Bild entwickelt ein Eigenleben, das der Verstand nicht ohne weiteres erfassen kann – es wird emotional.
Aber ich will mal nicht zu sehr vorgreifen. Ich gehe davon aus, dass hier demnächst noch viele Bilder zu sehen sein werden, die mit dem Voigtländer Nokton 1.1/50 entstanden sind, und nach Möglichkeit werde ich meine Eindrücke in einem Erfahrungsbericht bündeln. Für heute sollen ein paar schlichte Testfotos genügen.



